„Dieses Museum ist frei erfunden.“

„Dieses Museum ist frei erfunden.“, 2020
3-teilig
3 Pigmentprints, auf Alu kaschiert
Dimension: 2 x 113 x  139,5 cm; 1 x 113 x 75 cm (gerahmt)
Edition 2 + 1 A.P.

 

Die 3-teilige Arbeit, deren Titel sich auf ein Zitat von Marcel Broodthaers bezieht, besteht aus zwei großformatigen Fotografien und einem Text. Sie zeigt die Ironie im Scheitern, Kunst und ihre Werke nicht zur Ware werden zu lassen. In dem konzeptuellen Werk begegnen sich die Kunstinstitution Generali Foundation, der Künstler Marcel Broodthaers und der Gründer des Lidl-Konzerns Dieter Schwarz. Die linke Fotografie zeigt, als Repräsentation einer kulturellen Produktion, alle in der österreichischen Nationalbibliothek verfügbaren Publikationen der Generali Foundation, die während 1995 und 2014 entstanden - reproduziert im Maßstab 1:1. Die zweite Fotografie dokumentiert den ehemaligen Ausstellungsraum der Wiener Generali Foundation in der Wiedner Haupstraße 15 während seiner Nutzung als Filiale des Discounterkonzerns Lidl. Im Text der Arbeit schildert Matthias Klos die zufälligen zeitlichen und räumlichen Gemeinsamkeiten der Protagonisten und umreißt so ein gemeinsames Bezugssystem, das zwischen Kunst, Ware und Konsum oszilliert.


Text zur Arbeit:
„Im Jahr 1968 eröffnete der Unternehmer Dieter Schwarz im schwäbischen Backnang den Supermarkt Handelshof. Im selben Jahr gründete der Künstler Marcel Broodthaers in seiner Brüsseler Wohnung das Musée d'Art Moderne, Départment des Aigles - ein fiktives Museum, das nur Kunst, aber keine Kunstwerke beherbergen sollte. Mit dieser Selbstermächtigung gab Broodthaers seiner Skepsis gegenüber Kunstinstitutionen eine Form. Sein Argwohn galt ihrer Rolle bei der Transformation von Kunstwerken zu Wertobjekten in einer kapitalistischen Wertschöpfungsmaschinerie.

Aufgrund dieser Haltung fanden Werke von Marcel Broodthaers vermutlich ihren Weg in die Sammlung der Generali Foundation. Als Institution zur Förderung zeitgenössischer bildender Kunst verschrieb sich die Generali Foundation speziell jenen konzeptuellen Werken, die entlang der Visionen und Fiktionen der Kunst und ihrer Kontexte arbeiteten. Dieser gemeinnützige Kunstverein wurde 1988 vom Versicherungskonzern Generali Gruppe Österreich gegründet und hatte seinen Sitz ab 1995 im Habighof, einem ehemaligen Geschäfts- und Warenhaus in der Wiedner Hauptstraße 15, im 4. Wiener Gemeindebezirk. In einer legendären architektonischen Setzung wurde das denkmalgeschützte Areal mit Ausstellungshalle, Tiefspeicher, Studienraum und Verwaltung ausgestattet. Mit ihrem progressiven Ansatz und getragen von der Vorstellung einer „cultural and social responsibility" etablierte der Kunstverein Generali Foundation zusammen mit seiner Sammlung eine avancierte institutions- und gesellschaftskritische Ausstellungsagenda.

Sparmaßnahmen im Unternehmen der Generali Gruppe Österreich führten zu Umstrukturierungen und Veränderungen im Betrieb der Generali Foundation. Im Frühjahr 2014 wurde die Betreuung der privaten Firmensammlung gänzlich ausgelagert. Die Werke wurden als Dauerleihgabe an die öffentliche Sammlung des Museums der Moderne Salzburg übergeben. Ende 2014 wurde der Kunstverein Generali Foundation aufgelöst. Seine kulturelle Produktion von 1995 bis 2014 ist in dutzenden Publikationen dokumentiert, die unter anderem in den Regalen der Österreichischen Nationalbibliothek aufbewahrt sind.

Im Herbst 2018 zog eine Filiale des Discounterkonzerns Lidl in die ehemaligen - wegen ihrer Architektur inzwischen denkmalgeschützten - Räume des Kunstvereins Generali Foundation. Dieter Schwarz legte mit der Eröffnung der ersten Lidl-Filiale 1973 den Grundstein für diesen globalen Discountkonzern. Ihren Namen verdanken die Lidl-Märkte dem Kunstmaler Ludwig Lidl, dem der Unternehmer Dieter Schwarz dessen Namensrechte für 1.000 D-Mark abkaufte. Die Lidl-Filiale in den ehemaligen Räumen des Kunstvereins Generali Foundation wurde im Frühjahr 2021 geschlossen.

Als das Musée d'Art Moderne, Départment des Aigles selbst Gegenstand von Wertschöpfungsketten und Ausstellungsereignissen wurde, schrieb Broodthaers „Priavateigentum" auf den Boden und schloss die Ausstellung.“

 

 

ENG:
In 1968, the entrepreneur Dieter Schwarz opened the Handelshof supermarket in Swabian Backnang, Germany. That same year, the artist Marcel Broodthaers founded the Musée d'Art Moderne, Départment des Aigles in his Brussels apartment - a fictional museum that was meant to house only art, but no actual artworks. With this act of self-empowerment, Broodthaers gave form to his scepticism towards art institutions. He was wary of their role in transforming artworks into commodities in a capitalist value creation machinery.

It is likely that due to this attitude, works by Marcel Broodthaers found their way into the collection of the Generali Foundation. As an institution that promotes contemporary visual arts, the Generali Foundation was committed particularly to conceptual works that engaged with the visions and fictions of art and its contexts. This non-profit art association was established by the Generali Group Austria in 1988, and from 1995 onwards it was headquartered in the Habighof, a former commercial and retail building on Wiedner Hauptstraße 15 in the 4th district of Vienna. In a legendary architectural settlement, the listed premises were outfitted with an exhibition hall, deep storage, study room, and administration. With its progressive approach and commitment to a "cultural and social responsibility", the Generali Foundation established an advanced institutional and social-critical exhibition agenda.

Cost-cutting measures at the Generali Group Austria led to restructuring and changes in the operations of the Generali Foundation. In the spring of 2014, the management of the private corporate collection was entirely outsourced. The works were given as a long-term loan to the public collection of the Museum der Moderne Salzburg. At the end of 2014, the Generali Foundation was dissolved. Its cultural production from 1995 to 2014 is documented in dozens of publications, some of which are stored in the shelves of the Austrian National Library.

In the fall of 2018, a branch of the discount retailer Lidl moved into the former - for its architecture now landmarked - premises of the Generali Foundation. With the opening of the first Lidl branch in 1973, Dieter Schwarz laid the foundation for this global discount retailer. The Lidl stores are named after the painter Ludwig Lidl, whose name rights were bought by Dieter Schwarz for 1,000 Deutsche Mark. The Lidl store in the former premises of the Generali Foundation was closed in the spring of 2021.

When the Musée d'Art Moderne, Départment des Aigles itself became the subject of value chains and exhibition events, Broodthaers wrote "private property" on the floor and closed the exhibition.