The Deities Must be Made to Laugh – Ree Morton

Rezension von Matthias Klos zur Ausstellung in der Generali Foundation, Wien, 12.12.2008 - 01.03.2009

Ree Morton

»The Deities Must be Made to Laugh«

Generali FoundationWien
12.12.2008 - 1.3.2009

Erschienen in springerin 2/09

 

Ree Morton, wer kennt sie? Ree Morton war eine amerikanische Künstlerin die 1977 an den Folgen eines Autounfalls kaum 40-jährig verstarb. In der Generali Foundation Wien ist ihr eine erste Retrospektive in Europa gewidmet, in der die kurze, aber intensive und produktive Schaffensperiode von 1971 und bis zu ihrem Tod dokumentiert wird.

Die Arbeiten dieser kaum bekannten Künstlerin zu fassen, ist kein leichtes Unterfangen. Äste, Tierhäute, organische Materialien und die assemblierten Fundstücke, die kaum bearbeitet wurden, ergeben beim ersten Kontakt mit dem Werk einen Eindruck, man habe es mit einer ausgeprägten Neigung zu überbordender Naturromantik oder Laienschamanismus zu tun. Der Schluss, sie habe aus einem Pool von ethnologischen Konnotationen leichtes Zustimmungskapital für das Eigene schlagen wollen, wäre naheliegend und dieser Reduktion wird durchaus Vorschub geleistet. Aber solche Trittbrettfahrereien hatte sie nicht nötig, sie war viel zu unabhängig und zu gewitzt in der Anwendung ihrer Mittel, um ihre künstlerischen Entscheidungen einem Ideologiekonstrukt unterzuordnen oder sich sonstiger Stützungen zu bedienen.

 

In Ree Mortons Kunst geht es aber nicht um einen heilenden Gestus, der ein Ausbeuten problematisiert, oder um die blamable Suche nach Harmonie und Synthese mit der Natur. Die »sprachlichen Sekundärerzeugnisse«, mit der die Natur überformt, in eine kulturelle Welt eingliedert und modernitätstauglich gemacht werden sollen, sind Ausgangspunkt, mehr aber Symptom und Material in ihrer Arbeit. Die Baustellen der Intersubjektivierung von individuellen Weltkonstruktionen und -erklärungen und die sozialen Spiegelungen darin, die Zwischentöne und ungesagten Sätze in diesen Schriften, interessierten sie. Wie die von Louis Sullivan und Devitt Clinton – der eine Architekt, der mit Hochhäusern und Ornamenten die Welt verändern wollte, der andere Politiker und Hobbybotaniker.

 

»The Deitis must be made to love.« Die Geister, die sie anrief, waren und sind die spukhaften Resonanzen von Klischees. Sie nutzte eine bestimmte Ästhetik, um den Betrachter in ein Vabanquespiel mit seinen Zuschreibungen und Erwartungsmustern zu verwickeln. Die ausgelegten Fährten, als Erwartungsspuren von Kultischem, werden ausgebremst und entlarvend dem Rezipienten wieder zur Vorlage gebracht als Klischees von vage erinnerten Resonanzen ästhetischer Wirkungsweisen. »Cliché icludes memory« steht in einem ihrer Skizzenbücher. Mit mehr als nur Ironie führt sie diese Erinnerungsklischeetechnik in der Aktion »Maid of the Mist« vor. Der Film, der die Aktion von 1976 dokumentiert, bei dem eine gebastelte, bunte Leiter und ein Rettungsreifen als naiver Blumenkranz aus Celastic zum Einsatz kommen, wirkt wie die zahme Reanimation eines domestizierten indianischen Kultes für Flussgeister – eine Persiflage auf die Hippiekultur. Das Rituelle und die Inszenierung in diesem Schmu von Happening, wirken selbst noch in der medialen Vermittlung kläglich, aber es ist exakt diese Kläglichkeit, die aufgesetzte Mitmachästhetik mit Sollbruchstelle, mit der sie die Wirkungsweise solcher Klischees ausdrücken konnte.

Wissend konstruierte sie die einzelnen Bedeutungsräume und bediente sich eines Vokabulars geahnter ritueller Formen, mutmaßlicher indigener Völker des amerikanischen Kontinents, die nicht der Huldigung wegen eingebaut wurden oder weil sie versuchte, eventuelle Opfer kulturell zu rehabilitieren. Sie entlarvte damit präzise eine nur zusammengereimte Vorstellung eines projizierten Naturverhältnisses als Sehnsuchtskonstrukt einer positivistisch geprägten Zeit. Mit dieser Schwan-kleb-an-Technik beschreibt sie präzise eine Grenze, an der eine ästhetisierte und technisierte Wissenswelt in der Konfrontation mit bestimmten Erscheinungen ihre Wort- und Formlosigkeit demonstriert. Gleichzeitig dokumentiert sie die Anfälligkeit für Heil und Harmonie versprechende Formen von Individuen, die sich gern rezentrieren würden. Es wäre, als hätte sie all die Schwierigkeiten und Holprigkeiten, die sich mit partizipativen Werken, interaktiven Aktionen und interventionistischen Praktiken im sozialen Raum später ergeben sollten, geahnt und vorausschauend hinterfragt.

Im Werk, in der Aktion, war sie – trotz aller Heiterkeit – sehr ernst und nahm sich nicht aus, war nicht distanzierte Inszenatorin. Sie übernahm Verantwortung, ein Mandat für ihre symbolische Ordnung und ermöglichte dennoch gleichzeitig in der Präsentation auch einen Betrachterstandpunkt, der diese Ordnung entlarvte. Damit konnte sie eine Unbestimmbarkeit konstruieren, einen Intervall offenhalten, eine Art unformatiertes Feld, von dem aus sie in einem ästhetischen Kontinuum agieren konnte, das tiefer gestaffelt und vielfältiger war. Auf die Gegenwart umgelegt könnte man es so versuchen: In Zeiten, in denen bindungsfreie Rationalitäten immerzu intellektuelle Distanzierungen erbringen müssen, um flexibel zu bleiben, und stete Selbstreproduktion des Einzelnen gefordert ist, läuft eine künstlerische Position Gefahr, dass sie lediglich neue Formen der Ausbeutung und Selbstausbeutung konzeptualisieren hilft. Auf dem schmalen Grat der situativen Unbestimmbarkeit liegt aber auch die Gefahr der Beliebigkeit, wenn nicht für die entworfene Ordnung ein Mandat übernommen wird, das Zuschreibungen von außen als konstitutives Element integriert und produktiv umsetzt. Ree Morten hat dieses symbolische Mandat ernst genommen und mit Handlung erfüllt und hat damit heute wieder viel zu sagen.


Matthias Klos