Schilder II

eklatant narrative Produktion im Außenraum

Konzept Protest

Susanne Neuburger
Katalogtext zur Ausstellung "Bin beschäftigt" GAK-Bremen, 2006

 

Mit einem Wägelchen ausgestattet und von einer Fotografin begleitet, durchstreifte Matthias Klos in einem dérive ähnlichen Stadtrundgang Bremen, um an einzelnen Stellen in einer demonstrativen Geste eine der vier Texttafeln hoch zu halten, die er am Wägelchen hinter sich her zog. IMMER IM KONFLIKT MIT DER PROPORTION, IM KOMPROMISS MIT DEM VERZICHT, SPARSAMER GEBRAUCH DER REALITÄT und BESTÄNDIGES DILEMMA MIT DEN LÖSUNGEN: Die vier Texte, die ebenso als charismatisches Credo wie als melancholische Resignation ausgelegt werden könnten, verweisen auf einen Sachverhalt, wenn nicht auf ein Konfliktpotential künstlerischer Überlegungen, wiewohl sie auch auf andere Entscheidungsprozesse anwendbar wären. Sie sind knappe Botschaften, die jeweils aus zwei Substantiven und maximal sechs Wörtern gebildet sind. Wenn von „beständig“ oder „immer“ die Rede ist verweisen sie außerdem auf eine Zeitlichkeit im Sinne von Zeitökonomie. DAS POSITIVE WIRKT MORGEN hieß ein erster Text dieser Werkgruppe, der Zeit als Hoffnungsträger einsetzte. Nun scheint mit „Konflikt“, „Dilemma“, „Kompromiss“ oder „sparsamer Gebrauch“ ein Dauerzustand angesprochen, der kaum Aussicht auf Bewältigung verspricht. Klos selbst sagt dazu, er werte nicht.

 

Generell scheinen sich die Texte an linguistischen und metalinguistischen Positionen zu orientieren, wie wir sie seit der Konzeptkunst als Instruction Pieces, Sentenzen und anderen Spracharbeiten kennen. Auch diese sind häufig kurze Texte, die neben Material- und Subjektfragen oft auf Institutionskritik anspielen. Im Gegensatz dazu operiert Klos eindeutig mit Bildern, die insofern auf eine größere Rahmenhandlung verweisen, als deren Semantik weit umfangreicher ist, als es die kurze Form andeutet. Formal sind die mit Großbuchstaben handschriftlich gefertigten Texttafeln Manifesten für Demonstrationen nicht unähnlich, um nun aber vereinzelt und unvermutet, wenn nicht fremd auf einzelne Passanten zu treffen. Henry Flynt hat (1968) formal ähnliche Tafeln in seiner legendären Protest-Lecture „Down with Art“ um sich gruppiert. Sie waren für ihn, der einen ersten Text über Konzeptkunst veröffentlichte und für die Sprache als Material der Kunst plädierte, ideologische Statements zum Status von Kunst. Indem er die Information durch die Darstellungsform vermittelt, nimmt Klos quasi Stellung zu diesen und anderen frühen Metapositionen, überträgt seine Texte nun aber in eine situationistische Dimension und stellt der stummen Realität des Stadtalltags eine ebenso stumme wie auch komplexe Erzählung gegenüber.

 

In den Fotografien ist der performative Teil des Rundgangs dann nur noch Erinnerung. In einer der Fotografien, die in Bremen entstanden sind, sieht man Klos nahsichtig inmitten einer Menschengruppe, ansonsten ist er, wenn er auf einer Brücke, an einer Kreuzung oder am Wasser steht, in den Hintergrund gerückt und kaum aus der Umgebung hervorgehoben. Hier spielt Stadt als Stadtraum eine Rolle, der als anonym, an der Peripherie auch als verlassen wahrgenommen wird. Der einsame Demonstrant scheint sich auf verlorenem Außenposten zu befinden, eine Passantin dreht sich noch einmal um, um den Text zu lesen, ansonsten sieht man keine Reaktionen. Texte kommen oft als Event- oder Postkarten, als Plakate, Folder oder andere Art von Hand Outs und üblicherweise ohne ihren Autor in Umlauf. Sie werden schnell in einen kommunikativen Prozess integriert, aus dem sie ebenso schnell wieder verschwinden. Klos setzt mit seinen großformatigen Fotografien mit der Form der Fotografie in der Präsentation nun aber auf Bilder und verbindet mit dem Zeigegestus Produktion mit Reproduktion und Erfahrung mit Betrachtung. Und wenn es oft die Absicht ist, Texte in die Menge einzuschleusen, geht Klos den umgekehrten Weg: Er stellt sie hoch und heraus und konfrontiert uns so mit Fragen künstlerischer Arbeitsmethoden. Bilder, um noch einmal auf die Form der Texttafeln zurückzukommen, haben eine andere Suggestionskraft und machen sichtbar. Auch wenn sie Text beinhalten, werden sie nicht linear interpretiert, sondern nach Assoziation oder Dissoziation entschlüsselt. Und vielleicht hat der eine oder andere Passant auf diese Weise sogar erahnt, dass beim Schreiben der Texte Proportions- und Ästhetikfragen keine Rolle spielten, hingegen ein prinzipielles Konzept von Subjekt- und Produktionsentwürfen die eigentliche Narration ist.